Wer einmal einen schönen Urlaub auf den Azoren verbracht hat, wird sich sicherlich wundern, wie jemand gerade dort die Idee zu einem Krimi entwickeln kann. Alles wirkt so ruhig und friedlich, die Menschen sind sehr freundlich, mit ausgeprägtem Familiensinn und nur selten macht es Sinn, Türen abzuschließen.
Dennoch, woher will man wissen, was hinter angelehnten Türen geschieht? Oder was in einer gar nicht so fernen Zukunft passieren kann? Und auch in der Vergangenheit war das Leben auf den Inseln niemals das Paradies, sondern harte Arbeit unter ständiger Bedrohung durch Vulkanausbrüche, Erdbeben oder Piratenüberfälle.
Da erscheint es gar nicht so weit her geholt, wenn in Ben Faridis Das Schweigen der Familie: Azoren-Krimi mit Rezepten (aus der Reihe Mord und Nachschlag vom Oktober Verlag) Kommissar Jao Baptista nach Corvo reisen muss, um dort den ersten Mord in der Geschichte der kleinsten Azoreninsel aufzuklären.
Auch wenn man als Azorenreisender vieles in den Beschreibungen wiedererkennt – die Anreise mit dem Flugzeug, den Spaziergang durch Ponta Delgada beim obligatorischen Zwischenstop auf der Hauptinsel São Miguel, Corvo selbst, den Caldeirão, die Häuserfassaden, den Hafen – so will Ben Faridis Corvo doch in einigen kleinen Details nicht der Realität entsprechen.
Zum Glück! So kann man weiter hoffen, dass der Sumpf, den Jao Baptista im Krimi nach und nach aufdeckt, zum Teil doch nur aus Ben Faridis phantasievoller Feder geflossen ist. Versöhnlich sind auch die wunderbaren Rezepte azorianischer Gerichte wie Bolos oder Cozido das Furnas.
Ben Faridi hat mir freundlichweise ein paar Fragen zu seinem Krimi und zu seiner Sicht auf die Azoren beantwortet:
Hallo Ben, wie bist Du auf das Thema Azoren gekommen?
Reine Neugier. Mich hat an den Azoren fasziniert, dass es Inseln im Nirgendwo sind. Sie liegen in einem großen blauen Nichts zwischen Europa und Amerika. Auf beiden Seiten 2000 km Wasser. Ich stellte mir ein völlig vom Rest der Welt losgelöstes Völkchen wie auf den Galapagosinseln vor. Erst als ich mich mit der Geschichte der Inseln beschäftigt habe, wurde mir klar, dass in den letzten hundert Jahren dort mehr Bewegung war, als in vielen Gegenden auf den Kontinenten.
Welche anderen Azoreninseln hast Du besucht und wie hat es Dir dort gefallen?
Ich war 14 Tage auf São Miguel und habe nur einen Kurztrip nach Flores gemacht mit Ausflug nach Corvo. Leider haben wir es einfach nicht geschafft, die anderen Inseln zu sehen. Das kommt beim nächsten Mal. Alles auf den Azoren ist ungewöhnlich und anders. Mir war sofort klar, dass die Lage und die besondere Kultur eine ideale Umgebung für einen Krimi sein würde. Beim Erwandern von São Miguel und der kurzen Stippvisite in Flores und Corvo hatte ich das starke Gefühl, dass Familie und der Zusammenhalt ein zentrales Thema für die Menschen ist. So bin ich auf das Thema gekommen.
Ist Corvo Deine Lieblingsinsel oder war sie einfach für den Krimi als Schauplatz ideal?
Corvo ist mir persönlich zu klein gewesen. Aber gerade das hat mich eben so beeindruckt. Ich hatte beinahe ein Robinson Crusoe Gefühl. Die Insel ist sehr schlecht zu erreichen und das in einer Inselgruppe umgeben von endlos viel Wasser. Lieblingsinsel könnte ich so gar nicht sagen. Die Inseln sind alle so besonders.
Wird es weitere Azorenkrimis geben?
Soweit ich weiß, habe ich die Ehre, den ersten deutschsprachigen Azorenkrimi geschrieben zu haben. Die Inseln bieten eine fantastische Kulisse für Romane. Wenn ich wieder dort hinreise, schreibe ich bestimmt wieder etwas. Im Moment habe ich mit Baptista einen Italienkrimi in der Mache. Er spielt an der Amalfiküste, einer ähnlich abgeschotteten Gegend auf dem Festland.
Welche anderen Projekte stehen auf Deiner Liste?
Ein weiteres Projekt, an dem ich im Augenblick arbeite, ist ein Krimi in Köln. Daneben schreibe ich und bearbeite Bücher für Jugendliche.
Weitere Infos und Aktuelles über Ben Faridi auf www.benfaridi.de